Die Geschichte zum Projekt

Das Jahr 2021 ist für das Robert Koch-Institut (RKI) aus verschiedenen Gründen ein besonderes Jahr. Zum einen ist aufgrund der noch nicht überwundenen Coronapandemie weiterhin mit einer hohen Aufmerksamkeit für die Arbeit des Instituts zu rechnen. Ein großes Interesse besteht dabei nicht nur in der Fachwelt und der Politik, sondern auch in den Medien und der Öffentlichkeit insgesamt. Zum anderen kann das RKI, das 1891 gegründet wurde, im Jahr 2021 auf eine 130-jährige wechselhafte Geschichte zurückblicken.

Zwischen 1933 und 1945 war das RKI als staatliche Forschungseinrichtung des öffentlichen Gesundheitswesens eng in die nationalsozialistische Gewaltpolitik eingebunden. Vor 15 Jahren wurde mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Zeit begonnen: Von 2006 bis 2008 haben Historikerinnen des Instituts für Geschichte der Medizin an der Berliner Charité die Rolle des RKI im Nationalsozialismus untersucht. Ziel des vom RKI initiierten und finanzierten Projekts war, das wissenschaftliche, politische und wissenschaftspolitische Handeln des RKI in dieser Zeit so vollständig wie möglich und ohne institutionelle Befangenheit zu erforschen. Die Ergebnisse wurden u.a. in dem von der Medizinhistorikerin Annette Hinz-Wessels verfassten Buch „Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus“ im Jahr 2008 veröffentlicht. Ein Jahr später folgte der von Marion Hulverscheidt und Anja Laukötter herausgegebene Sammelband „Infektion und Institution. Zur Wissenschaftsgeschichte des Robert Koch-Instituts im Nationalsozialismus“.

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Im Jahr 2011 wurde schließlich – nach Durchführung eines Kunstwettbewerbs – ein sowohl von innen als auch von außen sichtbares Kunstwerk im Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus vor dem Hauptgebäude des RKI und im Foyer des Hauptgebäudes enthüllt (Adresse: Nordufer 20, Berlin). Der Entwurf „Robert Koch-Institut – mit offenen Augen“ der Berliner Künstlerin Heike Ponwitz wurde damals einstimmig zur Realisierung empfohlen. Das „Erinnerungszeichen“ getaufte Kunstwerk ist den Opfern der verbrecherischen Forschung gewidmet und erinnert an die vertriebenen jüdischen Wissenschaftler und Assistenten. Es dient auch dazu, die Auseinandersetzung mit dem Thema in Gegenwart und Zukunft lebendig zu halten. Vor dem Haupteingang des Instituts wurden in einem Beet mit weißen englischen Rosen drei gläserne Stelen aufgestellt. Die erste trägt nur den Titel „Robert Koch-Institut – mit offenen Augen“. Die zweite zeigt, im Siebdruck, den Kreis einer Menschenmenge, der an einen Erdball im Fokus eines Mikroskops erinnert. Die dritte Glas-Stele, dem Eingang zugewandt, enthält einen Text mit Informationen über die Rolle des Instituts in der NS-Zeit. Das Foyer ist an den Seitenwänden von zwei schwarzmatten Bändern eingefasst, mit von hinten verspiegelten Acrylglas-Leisten. Die Augenpaare gehören dem damaligen RKI-Präsidenten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts. Auf Augenhöhe der Büste Robert Kochs schauen sie sich selber in die Augen und verfolgen zugleich, fast beiläufig, die Besucher und Passanten. Komplettiert wird das Kunstwerk von zwei zentralen, schwarz verkleideten Säulen, auf denen in deutscher und englischer Sprache ein Zitat des Schweizer Autors Adolf Muschg steht, das die Künstlerin zu ihrer Arbeit inspiriert hatte: „Wir sind den Opfern das Unerträgliche schuldig, uns selber ins Auge zu schauen, ohne zu erstarren.“

Das Museum im Robert Koch-Institut

Mit der Podcastserie „Erinnerungszeichen“ greift das Museum im RKI die eigene Vergangenheit des Hauses während des Nationalsozialismus bewusst wieder auf. Der Prozess der Gedenkkultur am RKI soll erneuert und aktiv fortgeführt werden. Die Medizinhistorikerin Annette Hinz-Wessels hatte im Rahmen ihres Forschungsprojekts in den Archiven des RKI insgesamt zwölf Wissenschaftler und Assistenten ausfindig gemacht, die im Frühjahr 1933 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft das Institut verlassen mussten. Deren Namen und Schicksale sollen nicht vergessen werden. Dies ist das Ziel der Podcastserie. Jedem der ehemaligen jüdischen Mitarbeiter – darunter neun Männer und drei Frauen – ist eine der insgesamt zwölf Folgen gewidmet. Über das ganze Jahr 2021 hinweg wird stets am Monatsende eine neue Folge veröffentlicht. Durch aufwändige Recherchen werden die individuellen Lebenswege der von der Entlassung betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachgezeichnet. Für jeden einzelnen von ihnen soll herausgefunden werden: Was haben sie vor, während und nach ihrer Zeit am RKI gemacht? Wie ist es ihnen als Juden nach 1933 in Deutschland ergangen? Wohin konnten sie sich, wenn überhaupt, flüchten? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, wurden bisweilen auch noch lebende Nachfahren (Kinder und Enkelkinder) der verfolgten jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontaktiert und um Mithilfe gebeten.

Der Podcast wurde als Beitrag des RKI für das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ konzipiert, das 2021 bundesweit begangen wird. Im Gegensatz zum Podcast lassen sich Publikumsveranstaltungen aufgrund der Coronapandemie und der für den Infektionsschutz notwendigen Kontaktbeschränkungen derzeit leider nicht zuverlässig planen. Ein weiterer Vorteil des Podcastformats besteht darin, dass seine Inhalte kostenlos und unabhängig von Ort und Zeit über das Internet von interessierten Personen auf der ganzen Welt abgerufen werden können (lediglich Deutschkenntnisse werden im Fall des RKI-Podcasts vorausgesetzt).

Das Robert Koch-Institut

Das Robert Koch-Institut (RKI) ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Es ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention sowie der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung. Die Kernaufgaben des RKI sind die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere der Infektionskrankheiten. Zu den Aufgaben gehört der generelle gesetzliche Auftrag, wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen zu erarbeiten. Vorrangige Aufgaben liegen in der wissenschaftlichen Untersuchung, der epidemiologischen und medizinischen Analyse und Bewertung von Krankheiten mit hoher Gefährlichkeit, hohem Verbreitungsgrad oder hoher öffentlicher oder gesundheitspolitischer Bedeutung. Im Hinblick auf das Erkennen gesundheitlicher Gefährdungen und Risiken nimmt das RKI eine zentrale „Antennenfunktion“ im Sinne eines Frühwarnsystems wahr. So spielt das RKI beispielsweise bei der Bekämpfung der Coronapandemie in Deutschland eine zentrale Rolle. Das RKI hat die Gesundheit der Bevölkerung (Public Health) im Blick und ist eine der ältesten Einrichtungen dieser Art weltweit. Es wurde 1891 als „Königlich Preußisches Institut für Infektionskrankheiten“ gegründet. Der berühmte Mediziner und Bakteriologe Robert Koch, nach dem das RKI später benannt wurde, leitete das Institut bis zum Jahr 1904.