Walter Levinthal
12. April 1886 in Berlin
17. November 1963 in Edinburgh
Kurzbiographie
Walter Levinthal (1886-1963) verbrachte Kindheit und Jugend in seiner Geburtsstadt Berlin, wo er 1904 die Reifeprüfung ablegte. Daraufhin studierte er Medizin an den Universitäten von Berlin, Freiburg und München. Nach dem 1909 bestandenen Staatsexamen und seiner Medizinalpraktikantenzeit promovierte er 1912 bei dem Internisten Friedrich von Müller (1858-1941) in München mit einer Arbeit „Zum Abbau des Xanthins und Coffeins im Organismus des Menschen“. Während des Ersten Weltkriegs war Walter Levinthal als Laborleiter beim beratenden Hygieniker der IV. Armee tätig. Sein Name wurde spätestens 1918 in der Fachwelt bekannt, als er den von ihm entwickelten und später nach ihm benannten Levinthal-Agar vorstellte, ein spezifisches Nährmedium auf Kochblutbasis, das im Labor zur Anzucht bestimmter Krankheitserreger verwendet wird.
Als der Krieg zu Ende war, trat Walter Levinthal seinen Dienst im Robert Koch-Institut (RKI) an. Zum Jahresbeginn 1919 erhielt er eine Stelle als planmäßiger Assistent. Am RKI leitete er in Vertretung jahrelang das Untersuchungsamt. Damit verbunden war die Prüfungstätigkeit in der staatlichen Schule für Desinfektoren sowie das Abhalten von Lehrgängen für medizinisch-technische Assistentinnen. Levinthal forschte zur Influenza und veröffentlichte 1921 gemeinsam mit den Bakteriologen Max Kuczynski (1890-1967) und Erich Wolf ein Buch über „Die Grippe-Pandemie von 1918“. Im Dezember 1924 reiste er mit einem Stipendium der Rockefeller Foundation für einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt nach New York. Am 1. April 1928 wurde Levinthal – zum Oberassistent befördert – Mitarbeiter von RKI-Direktor Fred Neufeld (1869-1945), später arbeitete er bei dessen Stellvertreter Friedrich Karl Kleine (1869-1951). Für die Entdeckung des Psittakose-Erregers, der die auch Papageienkrankheit genannte Ornithose verursacht, wurde ihm 1931 der Paul-Ehrlich-Preis verliehen. Neben seiner Arbeit am RKI engagierte sich Walter Levinthal in der Deutschen Liga für Menschenrechte, u.a. als Schriftleiter der Zeitschrift „Die Menschenrechte“.
Am 15. März 1933 wurde Walter Levinthal beim Verlassen seiner Arbeitsstätte von einem auf dem RKI-Gelände aufmarschierten Trupp von SA- und SS-Männern verhaftet und wegen angeblich defätistischer Äußerungen über Nacht im Polizeigefängnis festgehalten. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde ihm im Rahmen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums seine Stelle am RKI gekündigt. Er emigrierte daraufhin mit seiner Frau nach Großbritannien, wo er für kurze Zeit in London und Bath seine Forschungsarbeit fortsetzen konnte. Schließlich fand er eine Anstellung in Edinburgh im Labor des Royal College of Physicians. Er nahm die britische Staatsbürgerschaft an und erhielt nach dem Krieg im Rahmen einer „Wiedergutmachung“ Titel und Pensionsrechte eines RKI-Direktors und Professors a.D. Walter Levinthal starb im Alter von 77 Jahren in Edinburgh.
Quellen:
- Fortner J, Gins HA, Henneberg G, Marcuse K (1964) Professor Dr. med. Claude Walter Levinthal. † 17. November 1963 in Edinburgh. Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde, Infektionskrankheiten und Hygiene (Erste Abteilung/Originale) 193 (2): 137-139
- Hinz-Wessels A (2008) Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus. Kulturverlag Kadmos: Berlin
- Hubenstorf M (1994) „Aber es kommt mir doch so vor, als ob Sie dabei nichts verloren hätten.“ In: Fischer W, Hierholzer K, Hubenstorf M, Walther PT, Winau R (Hrsg) Exodus von Wissenschaften aus Berlin. Fragestellungen – Ergebnisse – Desiderate. Entwicklungen vor und nach 1933. Akademie der Wissenschaften zu Berlin: Forschungsbericht 7. Walter de Gruyter: Berlin/New York, 355-460